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Chronik

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Französische Zeit

Politische Entwicklung

Napoleon in seinem Arbeitszimmer, Gemälde von Jacques-Louis David, 1812 (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)
Napoleon in seinem Arbeitszimmer, Gemälde von Jacques-Louis David, 1812 (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)

Durch die französische Revolution 1789 und den damit verbundenen Sturz der französischen Monarchie entstanden nicht nur in Frankreich tiefgreifende Änderungen. Die umfangreichen Reformen gewannen Einfluss in großen Teilen Europas und das nicht zuletzt aufgrund der erfolgreichen Eroberungspolitik von Napoleon Bonaparte. 1806 wurden die französischen Territorien um das Großherzogtum Berg erweitert, sodass das spätere Ruhrgebiet für einige Jahre französisch wurde und aufgrund dessen zahlreiche Verwaltungsreformen erfuhr. Durch die Revolution war Frankreich Republik geworden und sorgte somit für den militärischen wie auch politischen Aufstieg von Napoleon Bonaparte. Napoleon führte zahlreiche Kriege gegen die europäischen Mächte und erlangte damit für Frankreich zahlreiche Gebietserweiterungen. Napoleon übte großen Druck auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nation aus, sodass 1803 der Reichsdeputationshauptschluss in Kraft trat. Dadurch wollte Napoleon erreichen, dass sich das Heilige Römische Reich auflöste und sich Mittelstaaten bildeten, die ein Gegengewicht zum mit Frankreich verfeindeten Österreich bildeten. Das ehemalige Heilige Römische Reich wurde komplett neu geordnet: Sämtliche geistlichen Territorien, Reichsstädte und kleinere Fürstentümer wurden aufgelöst und in größere Gebiete aufgeteilt. Insbesondere Bayern, Württemberg und Preußen konnten umfangreiche Territorialgewinne verbuchen. Ebenso verloren die Reichsritterschaften ihre Reichsunmittelbarkeit. Durch Napoleon wurden Bayern und Württemberg zu Königreichen, während Baden, Hessen und Berg zu Großherzogtümer erklärt wurden. Ein weiterer Schritt war die Säkularisation des Kirchenguts. Fast alle Klöster wurden aufgelöst und ihr Besitz fiel dem Staat zu.

Dies hatte für die Ruhrregion zur Folge, dass das vormals preußische Herzogtum Kleve, das Herzogtum Berg und die kleineren Reichsstände sowie die Abtei Werden, das Stift Essen, die Reichsstadt Dortmund und das Vest Recklinghausen aufgelöst und dem Großherzogtum Berg zugeordnet wurden. Das Herzogtum wurde 1806 gegründet. Düsseldorf wurde die Landeshauptstadt. Napoleons Reformen waren sehr präzise auf das Großherzogtum Berg angewandt worden: Straffung der Verwaltung, Veränderung des Justizwesens, Machtaufhebung des Adels und Abschaffung des alten Feudalsystems. Die Verwaltungsstrukturen waren dem französischen System nachempfunden. Der französische Staat eroberte bereits 1794 zahlreiche deutsche, linksrheinische Gebiete und errichtete dort die Departements Roer, Rhein-Mosel, Donnersberg und Saar. Auf rechtsrheinischer Seite innerhalb des Großherzogtums Berg entstanden die Departements Sieg, Rhein, Ruhr und Ems. Außerdem existierte noch das Departement Lippe, das 1811 eingliedert wurde und im Wesentlichen unabhängig war. Die Departements waren wiederum in Arrondissements unterteilt. Napoleon setzte seinen Schwager Joachim Murat als Großherzog von Berg ein. Dem Großherzogtum wurden im Verlauf des Jahres 1806 noch die Grafschaft Mark und das Gebiet der Stadt Dortmund eingliedert. 1811 ging dann das Herzogtum Arenberg, das vor dem Reichsdeputationshauptschluss das Vest Recklinghausen bildet hatte, ebenfalls im Großherzogtum Berg auf. Berg stellte eine Art Modellstaat dar, der selbstständig agierte und durch besonders viele Reformen verändert wurde. Durch die Umstrukturierung entwickelte sich auf Grundlage des französischen Zivilrechts „Code Civil“ bzw. „Code Napoleon“ auch die Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft. Ebenso durften sich die Gemeinden selber verwalten. 1811 erhielt das Großherzogtum Berg eine neue Gerichtsordnung, die zwischen zivil- und strafrechtlichen Verhandlungen unterschied. Im Zivil- und Polizeirecht entschieden Friedensrichter über das Urteil, während im Strafrecht ein Geschworenengericht einberufen wurde. Die höchste gerichtliche Instanz des Appellationsgerichtshof hatte ihren Sitz in Düsseldorf. Die Entwicklungen sorgten bei der Bevölkerung zunächst für große Freude und Anerkennung. Dieses Recht hat bis heute Einfluss auf das deutsche Recht.

Major von Schill (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)
Major von Schill (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)

Die Beliebtheit der Franzosen in der Ruhrregion nahm allerdings mit der Zeit ab, da die Polizeibespitzelung zunahm und die Presse unter Zensur litt. Zeitungen wurden in ihrem Inhalt eingeschränkt oder sogar verboten und immer häufiger entstanden kleine Widerstandshandlungen, die zu meist passiv ausgerichtet waren. Als aktives Beispiel ist der später auftretende Unmut der Bevölkerung und der damit verbundene Aufstand der Offiziere unter Major Ferdinand von Schill in Stralsund zu sehen. Die elf Offiziere hatten sich gegen die französische Besatzung ausgesprochen. Schill hatte sich vom österreichischen Freiheitskämpfer Andreas Hofer beeindrucken lassen und wollte nun in Preußen mit einem Aufstand der französischen Besatzung entgegen wirken. Major Schill fiel bei diesem Aufstand, während seine Offiziere gefangen genommen, in die französisch besetzte Festung nach Wesel gebracht und dort exekutiert wurden. Im Nachhinein setzte der preußische König Schill und seinen Offizieren 1834 ein Denkmal in Wesel, obwohl der König den Aufstand und die Eigenmächtigkeit von Major Schill eher ablehnte.

Wirtschaftliche Entwicklung

Während Napoleon seine Reformen durchsetzte, wurde die Industrialisierung in der Ruhrregion weiter fortgesetzt und durch die französische Vorherrschaft teilweise begünstigt. Durch eine 1806 angesetzte Kontinentalsperre, die den Handel mit Großbritannien untersagte, geriet die Wirtschaft an Rhein und Ruhr jedoch in Schwierigkeiten. Es kam zu schweren Rohstoffmangel in den Tuchmanufakturen des Ruhrgebiets und viele Manufakturen mussten schließen. Besonders schlimm war die Entwicklung in Werden, Essen und Duisburg, in denen ein Drittel aller Betriebe schließen musste. Durch die Sperre mussten die Betriebe nun neue Produkte entwickeln, um die britischen Produkte zu ersetzten. Zur Anregung wurden sogar Preisgelder ausgesetzt, um die Menschen zum Erfinden zu animieren.

Franz Haniel (1779-1868) (Quelle: Haniel Archiv)
Franz Haniel (1779-1868) (Quelle: Haniel Archiv)

Eine positive wirtschaftliche Entwicklung entstand dann 1809: Die eingeführte Gewerbefreiheit erlaubte den Unternehmern eine wesentlich einfachere Vorgehensweise bei Geschäftsgründungen. Da sämtliche Gilden und Zünfte aufgelöst wurden, entfiel somit auch die Bindung an deren Regeln und Vorschriften. Die Aufsicht über das Gewerbe hatte ab diesem Zeitpunkt der Staat. Da zumindest formell keine sozialen Unterschiede mehr existierten, wurde ein schneller Aufstieg aus den vormals unteren Ständen möglich. Gewerbetreibende durften sich nun überall niederlassen. Vormals verboten die Territorialherren teilweise, dass sich Handwerker im Umland einer Stadt ansiedelten, um dort ein Geschäft zu eröffnen. Andererseits konnten nun beliebig viele Gewerbe innerhalb einer Stadt gegründet werden, ohne das die Stadt dies unterbinden durfte. Die Gewerbefreiheit führte bei den Betrieben zu einem verstärkten Wettbewerb, wodurch die Wirtschaft angekurbelt wurde. In dieser Zeit wurden einige der größten Industriekonzerne der Ruhrgebietsgeschichte begründet. 1811 wurde z. B. von Friedrich Krupp die erste Gußstahlfabrik in Essen gegründet. Gottlob Jacobi, Franz und Gerhard Haniel sowie Heinrich Huyssen gründen bereits 1808 die Hüttengewerkschaft Jacobi, Haniel und Huyssen (kurz JHH) in Oberhausen, in der die drei schon bestehenden Hütten „Gute Hoffnung“, „St. Antony „ und „Neu-Essen“ aufgingen. Im Kohleabbau erreichten die Bergarbeiter immer tiefere Schichten. 1808 hatte ein Stollen auf der Zeche Vollmond in Bochum die Tiefe von 46 m. Im Vergleich zu heute war das eher eine geringe Tiefe, aber zu damaliger Zeit stellte das einen herausragenden Erfolg in der Bergbaugeschichte dar. Durch den vermehrten Abbau von Kohle entstand ein großer Bedarf an Arbeitskräften. Dadurch entstand auch eine große Anziehungskraft auf die Bevölkerung der umliegenden Regionen sowie aus Polen, Schlesien und Ostpreußen. Anfang des 19. Jahrhunderts bildeten sich zunächst die Kerne des späteren Ruhrgebiets heraus. Ein Vergleich zu den späteren Ausmaß der Ruhrindustrie lässt sich in dieser Phase noch nicht ziehen. Während sich der Bergbau langsam weiterentwickelt, gehen andere Unternehmen wirtschaftlich zu Grunde. Die erfolgreiche Gewehrproduktion in Essen verlor langsam an Umsatz, da die eher kleinen Betriebe der zunehmenden Aufrüstung nicht gewachsen waren. Die Aufträge wurden daher an große Waffenhersteller in Lüttich und Berlin vergeben.

Übersichtsplan der Hütten St. Antony, Gute Hoffnung und Neu-Essen  (Quelle: Haniel Archiv)
Übersichtsplan der Hütten St. Antony, Gute Hoffnung und Neu-Essen (Quelle: Haniel Archiv)

In Folge der Industrialisierung wurden die Produktionsstätten größer, konnten somit auch in einem größerem Umfang liefern. Anfang des 19. Jahrhundert wurden die ersten Fabriken eingerichtet. Der Industrielle Franz Dinnendahl stellte z.B serienmäßig Dampfmaschinen her. Durch das Wachstum des Ruhrgebiets erhielt Mülheim an der Ruhr 1808 Stadtrecht. Die wichtigsten Wirtschaftszweige waren zu dieser Zeit die Schifffahrt und die Fischerei.

Kirchliche und geistliche Entwicklungen

Ehemaliges Kloster Werden (Quelle: Dießenbacher Informationsmedien)
Ehemaliges Kloster Werden (Quelle: Dießenbacher Informationsmedien)

Die Säkularisation verursachte, dass die große Klosterlandschaft an Rhein und Ruhr verschwand. Die Aufhebung kirchlicher Institutionen und die Verstaatlichung ihres Besitzes hatte 1803 begonnen und fand 1811 ihren Abschluss. Dies bedeutete, dass alle Klöster geschlossen wurden und die Mönche bzw. Nonnen diese verlassen mussten. Die Besitztümer der Klöster und Stifte zog der französische Staat ein. Die Klosterkirchen wurden häufig in Gemeindekirchen umgewandelt. Meist erfüllten sie nach der Schließung nicht-geistliche Zwecke. Besonders die Nonnen hatten unter den Schließungen zu leiden, weil sie keinerlei Existenzgrundlage mehr besaßen. Die Pensionen vom Staat waren meist nur sehr gering und zum Leben reichten diese in der Regel nicht. Meistens mussten sie zu ihren Familien zurückkehren. Die Mönche hingegen fanden häufig eine Anstellung als Gemeindepfarrer. Durch den Wegfall der Orden fiel zudem die seelsorgerische Tätigkeit der Bettelorden weg und das religiöse Leben veränderte sich. Durch die Säkularisation erlitt die katholische Kirche erheblich steuerliche Einbußen, die diese nur schwer verkraftete. Der weltliche Einfluss auf die Gesellschaft wurde immer größer, während der kirchliche Einfuß an Bedeutung abnahm.

Die französische Besatzung fand 1813 durch den Einmarsch russischer Kosaken ein Ende. Preußen hatte sich mit den Russen verbündet und marschierte im November 1813 ins Ruhrgebiet ein, um die Franzosen zum Rückzug zu bewegen. Besonders niederschmetternd für die Franzosen war die Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig. Noch im selben Monat räumten die Franzosen sämtliche Posten und die Truppenverbände zogen ab. Danach wurde das Großherzogtum Berg in das neue preußische Militärgouvernement eingefügt.

Napoleon Bonaparte fand sein endgültiges politisches Ende nach der verlorenen Schlacht bei Waterloo. Er wurde durch den „Wiener Kongress“ auf die Insel St. Helena verbannt, wo er am 5.Mai 1821 verstarb.