Französische Zeit
Politische Entwicklung
Durch die französische Revolution 1789 und den damit verbundenen Sturz der französischen Monarchie entstanden nicht nur in Frankreich tiefgreifende Änderungen. Die umfangreichen Reformen gewannen Einfluss in großen Teilen Europas und das nicht zuletzt aufgrund der erfolgreichen Eroberungspolitik von Napoleon Bonaparte. 1806 wurden die französischen Territorien um das Großherzogtum Berg erweitert, sodass das spätere Ruhrgebiet für einige Jahre französisch wurde und aufgrund dessen zahlreiche Verwaltungsreformen erfuhr. Durch die Revolution war Frankreich Republik geworden und sorgte somit für den militärischen wie auch politischen Aufstieg von Napoleon Bonaparte. Napoleon führte zahlreiche Kriege gegen die europäischen Mächte und erlangte damit für Frankreich zahlreiche Gebietserweiterungen. Napoleon übte großen Druck auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nation aus, sodass 1803 der Reichsdeputationshauptschluss in Kraft trat. Dadurch wollte Napoleon erreichen, dass sich das Heilige Römische Reich auflöste und sich Mittelstaaten bildeten, die ein Gegengewicht zum mit Frankreich verfeindeten Österreich bildeten. Das ehemalige Heilige Römische Reich wurde komplett neu geordnet: Sämtliche geistlichen Territorien, Reichsstädte und kleinere Fürstentümer wurden aufgelöst und in größere Gebiete aufgeteilt. Insbesondere Bayern, Württemberg und Preußen konnten umfangreiche Territorialgewinne verbuchen. Ebenso verloren die Reichsritterschaften ihre Reichsunmittelbarkeit. Durch Napoleon wurden Bayern und Württemberg zu Königreichen, während Baden, Hessen und Berg zu Großherzogtümer erklärt wurden. Ein weiterer Schritt war die Säkularisation des Kirchenguts. Fast alle Klöster wurden aufgelöst und ihr Besitz fiel dem Staat zu.
Dies hatte für die Ruhrregion zur Folge, dass das vormals preußische Herzogtum Kleve, das Herzogtum Berg und die kleineren Reichsstände sowie die Abtei Werden, das Stift Essen, die Reichsstadt Dortmund und das Vest Recklinghausen aufgelöst und dem Großherzogtum Berg zugeordnet wurden. Das Herzogtum wurde 1806 gegründet. Düsseldorf wurde die Landeshauptstadt. Napoleons Reformen waren sehr präzise auf das Großherzogtum Berg angewandt worden: Straffung der Verwaltung, Veränderung des Justizwesens, Machtaufhebung des Adels und Abschaffung des alten Feudalsystems. Die Verwaltungsstrukturen waren dem französischen System nachempfunden. Der französische Staat eroberte bereits 1794 zahlreiche deutsche, linksrheinische Gebiete und errichtete dort die Departements Roer, Rhein-Mosel, Donnersberg und Saar. Auf rechtsrheinischer Seite innerhalb des Großherzogtums Berg entstanden die Departements Sieg, Rhein, Ruhr und Ems. Außerdem existierte noch das Departement Lippe, das 1811 eingliedert wurde und im Wesentlichen unabhängig war. Die Departements waren wiederum in Arrondissements unterteilt. Napoleon setzte seinen Schwager Joachim Murat als Großherzog von Berg ein. Dem Großherzogtum wurden im Verlauf des Jahres 1806 noch die Grafschaft Mark und das Gebiet der Stadt Dortmund eingliedert. 1811 ging dann das Herzogtum Arenberg, das vor dem Reichsdeputationshauptschluss das Vest Recklinghausen bildet hatte, ebenfalls im Großherzogtum Berg auf. Berg stellte eine Art Modellstaat dar, der selbstständig agierte und durch besonders viele Reformen verändert wurde. Durch die Umstrukturierung entwickelte sich auf Grundlage des französischen Zivilrechts „Code Civil“ bzw. „Code Napoleon“ auch die Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft. Ebenso durften sich die Gemeinden selber verwalten. 1811 erhielt das Großherzogtum Berg eine neue Gerichtsordnung, die zwischen zivil- und strafrechtlichen Verhandlungen unterschied. Im Zivil- und Polizeirecht entschieden Friedensrichter über das Urteil, während im Strafrecht ein Geschworenengericht einberufen wurde. Die höchste gerichtliche Instanz des Appellationsgerichtshof hatte ihren Sitz in Düsseldorf. Die Entwicklungen sorgten bei der Bevölkerung zunächst für große Freude und Anerkennung. Dieses Recht hat bis heute Einfluss auf das deutsche Recht.
Die Beliebtheit der Franzosen in der Ruhrregion nahm allerdings mit der Zeit ab, da die Polizeibespitzelung zunahm und die Presse unter Zensur litt. Zeitungen wurden in ihrem Inhalt eingeschränkt oder sogar verboten und immer häufiger entstanden kleine Widerstandshandlungen, die zu meist passiv ausgerichtet waren. Als aktives Beispiel ist der später auftretende Unmut der Bevölkerung und der damit verbundene Aufstand der Offiziere unter Major Ferdinand von Schill in Stralsund zu sehen. Die elf Offiziere hatten sich gegen die französische Besatzung ausgesprochen. Schill hatte sich vom österreichischen Freiheitskämpfer Andreas Hofer beeindrucken lassen und wollte nun in Preußen mit einem Aufstand der französischen Besatzung entgegen wirken. Major Schill fiel bei diesem Aufstand, während seine Offiziere gefangen genommen, in die französisch besetzte Festung nach Wesel gebracht und dort exekutiert wurden. Im Nachhinein setzte der preußische König Schill und seinen Offizieren 1834 ein Denkmal in Wesel, obwohl der König den Aufstand und die Eigenmächtigkeit von Major Schill eher ablehnte.