Um 59 v. Chr. übernahm Julius Caesar die Verwaltung der gallischen Provinz nördlich der Alpen. Bereits andauernde Völkerwanderungsbewegungen veränderten das politische Gleichgewicht in Gallien. So suchten u. a. die Helvetier, aus dem Gebiet der heutigen Schweiz kommend, neue Stammesgebiete in Gallien. Caesar nahm ihre Gebietsansprüche zum Anlass, ab 58. v. Chr. gemeinsam mit seinen Verbündeten gegen diese Stämme vorzugehen und schließlich ganz Gallien zu unterwerfen.
Im Laufe des gallischen Krieges erhöhte Caesar die Zahl der dortigen Legionen und der Hilfstruppen stetig. Gegen Kriegsende kämpften 10 Legionen und viele Verbündete in Gallien, die Gesamtstärke des Heeres wird auf ca. 40.000-50.000 Mann geschätzt. 51 v. Chr. gelang es Caesar letztlich, das gallische Gebiet bis zum Rhein zu unterwerfen und unter römische Kontrolle zu bringen. Der Verlauf des Rheins stellte dabei zunächst die natürliche Grenze zu dem rechtsrheinischen Gebiet der Germanen dar.
Mit der Eroberung Galliens durch Julius Caesar nahm die römische Besiedlung an Rhein und Lippe ihren Anfang. Zur selben Zeit entstanden erste Kontakte zwischen Römern und den verschiedenen germanischen Stämmen, die auf der rechten Rheinseite im heutigen Ruhrgebiet siedelten.
In den Jahren nach der Unterwerfung Galliens begannen die römischen Truppen, die dortige Infrastruktur und Verwaltung den römischen Standards anzupassen. Unter dem Statthalter Agrippa (ca. 38/39 v. Chr.) führten die Römer Steuern ein und versuchten, die einheimischen Anführer in das neue römische Verwaltungssystem zu integrieren. Durch die Kooperation mit den Römern konnten die Germanen sich z. B. das römische Bürgerrecht sichern.
Problematisch blieben die ständigen Übergriffe der rechtsrheinischen Germanen, die bei den Römern auf Beutezüge gingen. Zur dauerhaften Eindämmung der Übergriffe beabsichtigten die Römer, die germanischen Gebiete bis zur Elbe unter ihre Kontrolle zu bringen und trafen entsprechend mehrere Maßnahmen. Ausgehend von Lugdunum, dem heutigen Lyon, wurde unter Agrippa zunächst ein umfassendes Straßennetz in Gallien angelegt. Neben der ausreichenden Versorgung der Truppen waren die Straßen notwendig für die Kommunikation der Truppen und ihre schnelle Verlegung an andere Orte. Drusus und Tiberius, die Stiefsöhne von Kaiser Augustus, unternahmen um 15 v. Chr. einen Feldzug über die Alpen , der u. a. die Alpenpässe sicherte.
Miltärlager an Rhein und Lippe
Bereits um 16 v. Chr. wurden am Rhein erste kleinere römische Lager errichtet, wie z. B. in Neuss und Bonn. Nach dem Alpenfeldzug begann Drusus eine vierjährige Offensive, die den Bau weiterer militärischer Anlagen am Rhein bedingte. Zur Vorbereitung der Feldzüge gegen die Germanen wurden nun viele römische Truppen an den Rhein verlegt. In der Zeit zwischen 15 und 12. v. Chr. wurden Vetera castra I bei Xanten-Birten, Dorsten-Holsterhausen und Asciburgium bei Moers-Asberg errichtet. Für die Erschließung der rechtsrheinischen Gebiete waren insbesondere bei Vetera castra und Asciburgium die Lage an den jeweiligen Mündungen von Lippe und Ruhr von entscheidender Bedeutung.
Asciburgium bestand aus einem Kastell und einer angeschlossenen Siedlung, direkt an einem heute verlandeten Altarm des Rheins und der Ruhrmündung gelegen. Das Lager wuchs mit der Zeit: Unter Drusus errichtet, nahm das erste befestigte Kastell eine Fläche von ca. 1,7 ha ein. Bis zum Jahr 70 n. Chr. wurde es insgesamt fünfmal erneuert und dabei bis auf eine Fläche von 2,3 ha vergrößert.
Asciburgium war ein Auxiliarkastell und wurde somit in der Regel nicht von Legionären mit römischem Bürgerrecht besetzt, sondern von Hilfstruppen, die sich aus Verbündeten bzw. Einheimischen rekrutierten. Diese Kastelle dienten der Grenzsicherung in den einzelnen Provinzen.
Das römische Legionslager Vetera castra I befand sich direkt gegenüber der damaligen Lippemündung auf dem Südhang des Fürstenbergs beim heutigen Xanten-Birten. Mit einem Ausmaß von ca. 60 ha war Vetera castra I um einiges größer als Asciburgium, es bot Platz für zwei Legionen und gehörte zu den größten militärischen Anlagen jener Zeit. Das Lager fand Erwähnung in den Historien des Tacitus. Er schrieb, dass Vetera I vor der großen Offensive des Drusus angelegt worden war und als Hauptstützpunkt für die Unterwerfung von Germanien dienen sollte. Der Standort an der Lippemündung und auf dem Fürstenberg bot den Römern eine optimale Ausgangslage, um ins germanische Stammland einzudringen.
Spätestens ab 14 n. Chr. waren zwei Legionen auf dem Fürstenberg stationiert. Vetera castra I wurde 70 n. Chr. zerstört und dort nicht wieder neu errichtet. Stattdessen bauten die Römer an anderer Stelle ein kleineres Lager, das näher am Rhein lag und als Vetera castra II bezeichnet wird.
Das Lager in Dorsten-Holsterhausen wurde vermutlich ab 11 v. Chr. genutzt und fällt damit in die Zeit der Eroberungszüge in Germanien. Die Gesamtfläche wird auf mehr als 50 ha geschätzt, kann aber nicht mehr exakt nachgewiesen werden, da u. a. durch die Nähe zur Lippe viele Spuren im Boden verloren gingen. Die wenigen Funde, v. a. das Fehlen von Spuren fester Bebauung, deuten darauf hin, dass die Anlage ein Marschlager war. Von seiner Größe ausgehend, konnten hier zeitweilig zwei bis drei Legionen untergebracht sein, bevor sie weitermarschierten.
Viele römische Lager wurden an Mündungen von Flüssen errichtet, die in rechtsrheinische germanische Gebiete führten, so auch Mogontiacum, das direkt gegenüber der Mainmündung bei Mainz errichtete Lager. Ebenfalls an den Mündungen siedelten die germanischen Stämme der Sugambrer, Usipeter und Tenkterer, die besonders häufig auf die Römer übergegriffen hatten. Mit ihrer Präsenz an den Flussmündungen wollten die Römer die gallische Provinz zusätzlich schützen und den Germanen zugleich ihre stetige Anwesenheit demonstrieren. Der „Niedergermanische Limes“, die mit Lagern und Kastellen gesicherte Flussgrenze, wurde bis 16 n. Chr. so ausgebaut, dass der Abstand zwischen den einzelnen Posten nur etwa 10 Kilometer betrug.
Durch die Offensive des Drusus 12-9 v. Chr. wurden große Teile des Lippetals unter römische Kontrolle gebracht. Bis weit in den Osten hinein wurden in dieser Zeit Lager errichtet. Dazu zählt neben Wetterau in Hessen und Dangstetten in Baden-Württemberg auch das Legionslager Bergkamen-Oberaden, das als Nachschublager für die Eroberung der germanischen Gebiete bis zur Elbe angelegt wurde.
Drusus konnte zwar bis zur Elbe vordringen, war dann aber gezwungen, den Rückzug anzutreten. Bei diesem Rückzug starb er an den Folgen eines Unfalls. Danach führte sein Bruder Tiberius die Offensive fort. Zu ihrem erfolgreichen Abschluss führte u. a. die Unterwerfung der Sugambrer, die Tiberius auf die linke Rheinseite zwangsumsiedelte.
Die Errichtung der Militärlager und der Ausbau des Limes führten zu einer vollständigen Sicherung der linksrheinischen Seite. Darüber hinaus konnten Rheinüberquerungen der Germanen verhindert werden, so dass nachfolgende Auseinandersetzungen auf rechtsrheinischer Seite stattfanden.
Nach der Offensive, die vorübergehenden Frieden brachte, wurden 7 v. Chr. die meisten rechtsrheinischen Lager wieder verlassen. U. a. wurde das Lager Oberaden überflüssig, nachdem die von dort aus bekämpften Sugambrer bereits 8. v. Chr. zwangsumgesiedelt worden waren. Um diese Zeit wurde vermutlich das Lippelager in Haltern angelegt, das nicht nur als militärischer Stützpunkt, sondern auch als Versorgungs- und Verwaltungszentrum auf der rechten Rheinseite dienen sollte. Neben Haltern und wahrscheinlich Holsterhausen existierten vermutlich keine weiteren römischen Lager an der Lippe mehr, die anderen wurden nach und nach geräumt.
In Haltern bauten die Römer das 7 ha große Lager auf einer Anhöhe direkt an der Lippe. Dort wurden eine Legion, mehrere Hilfstruppen und Reiter untergebracht. Neben dem Hauptlager wurden in Haltern weitere Militärlager angelegt. Die kleineren Lager dienten der Vorratshaltung und als Anlegestelle für Transportschiffe an der Lippe.
Bevor das Hauptlager errichtet wurde, nutzten die Römer zunächst ein provisorisches Feldlager. Als Marsch- und Sommerlager angelegt, übernachteten die Legionäre dort wahrscheinlich in Zelten. Das Hauptlager hingegen war fest bebaut, mit zahlreichen Gebäuden für unterschiedliche Zwecke. Die Tatsache, dass besonders viele Unterkünfte für hohe Offiziere errichtet wurden, verstärkt den Ansatz, das Hauptlager in Haltern als rechtsrheinisches Verwaltungszentrum zu betrachten. Von hier aus sollten die hohen Offiziere wahrscheinlich die Verwaltung für das germanische Gebiet und die geplante neue römische Provinz einrichten. Jedoch wurde das Lager insgesamt nur wenige Jahre genutzt; nach der Varusschlacht 9. n. Chr. wurde es aufgegeben und von den Germanen eingenommen.
Jahre zuvor, um die Zeitenwende, fanden im nördlichen Germanien wieder schwere Kämpfe statt. Ab 4 n. Chr., unterwarf Tiberius in einer zweiten Offensive zahlreiche germanische Stämme wie die Brukterer und die Cherusker. Bei diesen Feldzügen drang er bis zur Weser und zur Elbe vor. Kurz vor einer möglichen Entscheidung musste ein großer Teil des römischen Heeres aufgrund von Unruhen in anderen Provinzen für drei Jahre aus Germanien abgezogen werden. 7 n. Chr. wird Publius Quinctilius Varus Statthalter und Oberbefehlshaber in Germanien.
Varusschlacht
Von besonderer Bedeutung für die Römer und ihrer Eroberung Germaniens war die „Varus- Schlacht“ im Jahr 9 n. Chr., auch bekannt als „Schlacht im Teutoburger Wald“. Über den Ort des Geschehens, nach Geschichtsschreiber Tacitus zwischen Ems und Lippe, kursieren zahlreiche verschiedene Theorien, bislang konnte er jedoch nicht genau lokalisiert werden.
In der mehrtägigen Schlacht kämpften die Römer unter dem Statthalter Publius Quinctilius Varus gegen Cherusker, Brukterer, Marser und Chatten. Die militärische Befehlsgewalt auf germanischer Seite lag bei dem Cheruskerfürsten Arminius. Der römische Feldherr beabsichtigte, das rechtsrheinische Gebiet endgültig zu romanisieren und eine neue Provinz einzurichten. Varus befehligte drei Legionen und mehrere kleinere Militäreinheiten. Das römische Heer soll eine Stärke von 20.000-30.000 Mann gehabt haben und war vermutlich aufgrund einer absichtlichen Falschmeldung über einen germanischen Aufstand ausgerückt.
Auf dem Weg ins Konfliktgebiet wurden die Römer von den Germanen in stark bewaldeten Gebieten angegriffen. Arminius hatte den Angriff gezielt geplant. Er hatte selbst eine römische Militärausbildung genossen, Taktik und Angriffsverhalten der römischen Truppen waren ihm entsprechend vertraut. Vermutlich war er als Junge in die Sklaverei verkauft worden und schlug später, nachdem er aus unbekannten Gründen das römische Bürgerrecht erhalten hatte, eine militärische Laufbahn ein. Ungefähr um 8 n. Chr. kehrte Arminius in seine Heimat zurück und wandte sich von Rom ab. Stattdessen unterstützte er sein Volk beim Kampf gegen die römischen Truppen. In der bergigen und bewaldeten Landschaft gerieten die Römer schnell aus ihrer sonst erfolgreichen Marschordnung und wurden so leichter angreifbar. In den unwegsamen Wäldern wurden die Truppen zusätzlich miteinander vermischt, so dass sie sich bald gegenseitig behinderten. Innerhalb weniger Tage wurden die Römer mehrfach von den Germanen angegriffen, bis sie gezwungen waren, aufzugeben. Die höchsten Offiziere, darunter Varus selbst, begingen Selbstmord, so dass die römischen Truppen endgültig führungslos waren. Darüber hinaus verbot Rom den Überlebenden der Schlacht, je wieder italischen Boden zu betreten.
Die Schlacht muss ein regelrechtes Gemetzel gewesen sein - die Legionen wurden fast vollkommen vernichtet. Im weiteren Verlauf begangen die Germanen, sämtliche rechtsrheinischen Lager zu zerschlagen und die Römer auf die linke Rheinseite zurück zu treiben.
Rückzug an den Rhein und Befestigung der Grenze
Nach der Varusschlacht existierten keine rechtsrheinischen Römerlager mehr. In der nachfolgenden Zeit konzentrierten sich die Römer darauf, den Rhein zu sichern und die Anzahl der dortigen Lager entsprechend zu erhöhen. Der Rhein stellte wieder die natürliche Außengrenze des römischen Reiches dar und die germanischen Stämme erlangten wieder die Oberherrschaft in den rechtsrheinischen Gebieten.
Bei Xanten auf dem Fürstenberg fand man einen Gedenkstein, der auf einen Teilnehmer der Varusschlacht hinweist: Marcus Caelius. Er war Centurio bzw. Hauptmann in der 18. Legion und fiel in der Varusschlacht. Der Gedenkstein wurde von seinem Bruder Publius in Auftrag gegeben und zeigt Marcus in seiner Militäruniform. Zudem wurden zwei ehemalige Sklaven des Marcus mit abgebildet. Sie waren von ihm freigelassen worden, standen danach aber noch weiter in seinen Diensten. Die Inschrift auf dem Grabstein besagt, dass die beiden Freigelassenen neben Marcus Caelius bestattet werden dürfen. Letztlich blieb das vorbereitete Grab jedoch leer, da die Gebeine von Marcus Caelius nie nach Xanten bzw. Vetera castra gebracht wurden. Als er in der Varusschlacht fiel, war er laut Gedenkstein 53 ½ Jahre alt und hatte bereits viele Erfahrungen im Militärdienst gesammelt. Davon zeugen seine zahlreichen auf dem Grabstein abgebildeten Auszeichnungen.
Nach der verheerenden Niederlage in der Varusschlacht wurde der Plan der germanischen Eroberung nicht gänzlich verworfen. Augustus schickte erneut seinen Stiefsohn Tiberius an den Rhein, der acht Legionen unter seinem Kommando hatte. Zum Schutz der späteren Provinzen Ober- und Niedergermanien wurden die Legionen in zwei Heerbezirke aufgeteilt. Hauptlager und Ausgangsort sämtlicher Aktivitäten waren Vetera castra bei Xanten und Mainz. Zur Sicherung der Rheingrenze ließ Tiberius alte Lager ausbauen und neue Lager errichten. In den Jahren bis 12 n. Chr. unternahm er gelegentlich Vorstöße über den Rhein, um den Germanen die römische Macht zu demonstrieren.
Im Jahr 12 n. Chr. ging Tiberius zurück nach Rom, aufgrund einer schweren Erkrankung seines Stiefvaters Augustus. Der Oberbefehl wurde auf Drusus" Sohn Germanicus übertragen, der ebenfalls von Augustus adoptiert worden war und somit zum Kaiserhaus gehörte. Mit der Absicht, Germanien erneut unter römische Herrschaft zu bringen und eine römische Provinz zu gründen, hatte Germanicus sich hohe Ziele gesetzt. Er startete eine zweijährige Offensive: Mit insgesamt acht Legionen sollte das germanische Gebiet bis zur Elbe zurückerobert werden. Problematisch war, dass die Germanen sich zu einem Stammesverbund vereinigt hatten. Unter der Führung von Arminius und durch den Sieg bei der Varusschlacht waren die Germanen sich durchaus ihrer Stärke bewusst. Im ersten Jahr der Eroberung ereignete sich eine direkte Auseinandersetzung mit Arminius am Ort der Varusschlacht. Eine eindeutige Entscheidung konnte allerdings nicht herbeigeführt werden.
Das Ausbleiben größerer Erfolge bei Germanicus" angestrebter Eroberung veranlasste Tiberius, der zwischenzeitlich zum Kaiser ernannt worden war, die Offensive aufzugeben und auf die Eroberung Germaniens zu verzichten. Letztlich war der hierfür zu betreibende Aufwand zu hoch. Für Rom war die Eroberung Germaniens bislang sehr verlustreich gewesen, weitere Versuche wurden nunmehr als nicht lohnenswert erachtet.
Nach dem Rückzug Roms begannen die Germanen mit Auseinandersetzungen untereinander, die zum Auseinanderfallen des vormals starken Stammesverband führten und die Position der Germanen sehr schwächten. Die führungslosen einzelnen Stämme stellten für die Römer keine große Bedrohung mehr dar.
Mit dem Ausbau des Niedergermanischen Limes beschränkte sich Tiberius in der Folge auf die Sicherung des Rheins als Außengrenze des Römischen Reiches. Im Bereich des heutigen Nordrhein-Westfalen und der Niederlande schützen fortan zahlreiche Kastelle die Grenze. Neben Vetera castra waren in Köln, Bonn und Neuss Legionslager angelegt worden. Hinzu kamen Auxiliarkastelle, welche die Soldaten der Verbündeten Roms beherbergten.
Unter dem späteren Kaiser Claudius wurde der niedergermanische Limes ab 41 n. Chr. dann zu einem geschlossenen Grenzsystem ausgebaut. Durch die geplante Eroberung Britanniens wurden zu dieser Zeit Truppen vom Rhein abgezogen, neben einer Legion wurden acht Kohorten der verbündeten Bataver nach Britannien entsandt. Eine Kohorte bestand aus ca. 400 Soldaten. Auch wenn die Zahl der am Rhein verbliebenen Hilfstruppen zu dieser Zeit nicht bekannt ist, hatte die dortige Heeresstärke unter Claudius anscheinend etwas abgenommen.
Bataveraufstand und Wiederaufbau
Der Bataveraufstand 69/70 n. Chr. war ein folgenschweres Ereignis für das Lager Vetera castra I. Die Bataver gehörten ursprünglich zu den Chatten und siedelten an der Rheinmündung. Durch politische Unruhen in Rom gerieten in gleicher Weise auch die germanischen Provinzen in Aufruhr. Der eingesetzte Kaiser Galba traf für die rheinischen Gebiete eine ungeliebte Entscheidung. Der bisherige beliebte Statthalter und Oberbefehlshaber des obergermanischen Heeres wurde gegen einen alten und kranken Mann nicht angemessen ersetzt. Daraufhin ließ sich Vitellius, der Befehlshaber der niederrheinischen Armee, zum Gegenkaiser ausrufen. Viele andere Provinzen stellten sich hinter Vitellius und unterstützten sein Kaisertum. Fast zeitgleich wurde in Rom ein weiterer Kaiser ausgerufen. Vitellius zog nach Rom und 70.000 Soldaten aus dem gesamten Rheingebiet ab. Die Grenze zum germanischen Stammland wurde so gut wie ungesichert zurückgelassen. Zum Ausgleich dieses Verlusts sollten Germanen rekrutiert werden, doch dies führte zu Unruhen schwächte den Niederrhein noch mehr.
Insbesondere die Bataver begannen unter dem Anführer Julius Civilis einen verheerenden Aufstand gegen die Römer: Sie wollten ein von Rom unabhängiges gallisches Imperium gründen. Im Laufe des Aufstandes wurde Vetera castra I bei Xanten vollkommen zerstört. Die Bataver hatten zuvor den Legionären Schonung versprochen, wenn diese das neue Reich anerkannten. Nach Abgabe ihrer Waffen wurden jedoch alle römischen Soldaten getötet. Trotz dieses Erfolgs der Bataver stieß die Gründung des unabhängigen Reiches nicht nur aus militärischer Sicht, sondern auch aufgrund der fortgeschrittenen Romverbundenheit Galliens insgesamt auf größere Widerstände.
Vitellius wurde währenddessen von einem weiteren Kaiserkandidaten namens Vespasian abgelöst. Vespasian leitete nach seinem Herrschaftsantritt schnell die Rückeroberung des Niederrheins ein und entsandte neun Legionen nach Niedergermanien. Den führenden Befehlshabern gelangen die Zerschlagung des Aufstands und die Rückeroberung der Provinzen recht schnell. Der Aufstand endete mit einer diplomatischen Unterredung, die Bataver kamen ohne Tributzahlungen davon. Nicht zuletzt weil die Bataver über gute Reitertruppen verfügten, verzichteten die Römer vermutlich auf weitreichende Strafmaßnahmen.
Nach der Rückeroberung des Niederrheins unter Vespasian wurde die Grenzsicherung wiederaufgebaut, hierzu zählt u. a. der Bau von Vetera castra II um 70 n. Chr. Das Lager wurde nicht wie sein Vorgänger auf dem Fürstenberg errichtet, sondern auf einer hochwasserfreien Niederterasse des Rheins. In Vetera castra II waren nur noch eine Legion sowie zeitweise Hilfstruppen stationiert. Bis Ende des 3. Jh. wurde das Lager von verschiedenen Legionen genutzt und aufrecht erhalten, bis es schließlich den Franken zum Opfer fiel. Durch spätere Änderungen des Rheinverlaufs im Mittelalter wurden die Reste von Vetera castra II unterspült und schließlich von Kies überlagert.
Im heutigen Nijmegen legte Vespasian ein neues Legionslager an, die Lager in Bonn und Neuss wurden komplett in Stein ausgebaut. Wie schon Claudius vor ihm, ließ er neue Auxiliarkastelle am Rhein errichten. Schon bald waren die Grenzlager untereinander wieder nur etwa 10 Kilometer voneinander entfernt und bildeten eine optimale Verteidigungslinie. Der niedergermanische Limes bestand zu vespasianischer Zeit aus vier Legionslagern, 27 Auxiliarkastellen und einem Flottenstützpunkt. Beim heutigen Ruhrgebiet und am Niederrhein war die Grenze besonders stark gesichert: Allein in Xanten und Neuss waren 11.000 Legionäre stationiert. Hinzu kamen Hilfstruppen, die hier in dieser Zeit z. T. nur aus Reitern bestehen konnten. Diese Konstellation schuf ein Gegengewicht zu den jenseits des Rheins siedelnden Tenkterern, die ebenfalls über hervorragende Reiter verfügten.
Vespasian unternahm allerdings keine neuerlichen Versuche, in das Land um Lippe und Ruhr einzudringen. Er bemühte sich allerdings, Obergermanien im heutigen Baden-Württemberg nach Osten hin zu erweitern. Des Weiteren führte der niedergermanische Statthalter 77 n. Chr. einen erfolgreichen Feldzug gegen die Brukterer durch, die zwischen Lippe und Ems siedelten.
Colonia Ulpia Traiana
Eine weitere wichtige Gründung am Niederrhein war die Colonia Ulpia Traiana (CUT) im heutigen Xanten. In der Nähe des Legionslagers Vetera castra II war eine Siedlung entstanden, die um 100 n. Chr. die Rechte einer römischen Colonia erhielt. In ihr lebten römische und germanische Veteranen zusammen mit ihren Familien. Kaiser Marcus Ulpius Traianus verlieh ihr das Stadtrecht, somit war sie eine der wenigen Städte nördlich der Alpen.
Weil Trajan vorher Statthalter der Provinz Obergermanien gewesen war, ist es wahrscheinlich, dass er die Siedlung selbst kannte und die Gegebenheiten dort verbessern wollte. Außer der Siedlung in Xanten existierte in Niedergermanien nur noch die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), das römische Köln. Als Provinzhauptstadt von Niedergermanien besaß sie ebenfalls den Status einer Colonia. Da die CUT Verwaltungsaufgaben für die umliegende Region übernahm, wurde durch sie auch die CCAA entlastet.
Die CUT wurde drei Kilometer entfernt von Vetera castra II angelegt, sie nahm eine Fläche von 73 ha ein und wurde durch eine 6,6 Meter hohe Mauer und Gräben geschützt. Das schachbrettartige Straßennetz unterteilte die Stadt in „Insulae“ mit einer Größe von jeweils 120 x 120 m.
Die Häuser wurden aus Backstein gebaut, deren Dächer mit Ziegeln bedeckt waren. Zudem besaßen Wohnhäuser in der Regel eine Fußbodenheizung und Glasfenster. Ein Aquädukt gewährleistete die umfassende Trinkwasserversorgung der Colonia. Genauso fortschrittlich war das unterirdische Kanalsystem, das die Abwässer der Stadt in den Rhein leitete.
Die Colonia Ulpia Traiana verfügte über alle Merkmale einer typischen römischen Stadt wie z. B. ein Amphitheater, das 10.000 Menschen Platz bot. Im Amphitheater fanden Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen statt. Eines der Tiere, das dort häufig zu Tode kam, war der in Niedergermanien beheimatete Bär. In den Gewölben der Arena befanden sich die Aufenthaltsräume der Gladiatoren wie auch die Tierkäfige.
Ein weiterer, viel genutzter Ort war die große Thermenanlage, die den Raum einer ganzen „Insula“ einnahm. Dort fanden sich unterschiedliche Bäder mit verschiedenen Temperaturen, Ruheräume und Essensstände. In unterschiedlichsten Formen bot die Therme dem Besucher viel Abwechslung und diente als allgemeiner Treffpunkt zur Konversation.
In der Stadt wurden zudem mehrere Tempel erbaut. Der größte von Ihnen, das Kapitol, befand sich im Zentrum der Colonia und war den höchsten römischen Göttern Jupiter, Minerva und Juno geweiht. Der sogenannte „Hafentempel“, der direkt an den Stadtmauern in Hafennähe gebaut worden war, konnte hingegen noch keiner römischen Gottheit zugeordnet werden.
Alle Bewohner der Colonia besaßen römisches Bürgerrecht und die dazugehörigen Privilegien. Die Stadt verfügte über einen Bürgermeister, einen Stadtrat und Ädilen, die für die Sicherheit auf den Märkten verantwortlich waren. Die Bewohner der Colonia stammten aus verschiedensten Kulturen und sprachen die unterschiedlichsten Sprachen, dennoch lebten sie allesamt in der römischen Kultur.
Franken und das Ende der Römerzeit am Niederrhein
Im 3. Jh. blieb die Grenzbefestigung am niedergermanischen Limes zunächst größtenteils unverändert. Eroberungsversuche in germanischen Gebieten fanden nur noch sporadisch statt. Oberste Priorität blieb sie Sicherung der Grenze am Rhein. Im weiteren Verlauf des 3. Jh. bekamen die Römer einen neuen Gegner: die Franken.
Der als „Franken“ bezeichnete Stammesverbund setzte sich u. a. aus den westgermanischen Stämmen der Brukterer, Chamaven und Chatten zusammen und lebte am rechten Niederrhein. Die Franken sollten ein wichtiger Faktor für den Machtverlust der Römer im Rheinland und am Niederrhein werden. Ein exemplarisches Ereignis für diesen Zusammenhang ist der Überfall der Franken auf die Colonia Ulpia Traiana um 260/275 n. Chr., durch den die Stadt komplett zerstört wurde. Die Position der Römer in den Rheinprovinzen wurde schwächer und die Zeiten an der Rheingrenze zunehmend turbulenter.
Nach der Zerstörung der CUT bauten die Römer unter Kaiser Konstantin 310 n. Chr. eine kleinere und sehr stark befestigte Anlage auf dem ehemaligen Gelände der Colonia: die Tricensimae. Sie wurde genau in der Mitte der ehemaligen Colonia errichtet. Die spätantike Festung nahm eine Fläche von 400 x 400 m ein, besaß 44 Wachtürme und 4 m dicke Mauern. Für den Bau wurden die noch vorhandenen Steine der zerstörten CUT verwendet. Die Festung hatte bis ca. 352 n. Chr. Bestand, als sie erneut überfallen und schließlich zerstört wurde.
Danach hatten die Römer Xanten wahrscheinlich endgültig verlassen. Die Steine der Colonia sollten später dem Bau des St. Viktor Doms dienen. Die Legende vom heiligen Viktor wird auf einen römischen Legionär zurückgeführt, der als Christ im 3./4. Jahrhundert den Märtyrertod gestorben war. Unter den Römern verbreitete sich langsam die Ausübung des Christentums. Der christliche Glaube war römischen Bürgern jedoch noch nicht erlaubt. Auf die Nichtbeachtung des Verbots stand der Tod. Dieses Schicksal hatte Viktor erlitten, der sich sich dem Christentum zugewandt hatte und sich weigerte, die alten römischen Götter zu verehren. Die Franken verehrten ihn künftig als „heiligen Viktor“.
Über der Grabstätte Viktors und seines Gefährten Mallosus wurden in nachfolgenden Jahrhunderten erst eine kleine Kapelle, dann eine Kirche und schließlich der St. Viktor Dom errichtet. Die Christen wurden schon seit Beginn ihres Auftretens von den Römern verfolgt und hingerichtet. Die jahrhundertelange Verfolgung endete erst mit dem Toleranzedikt von Mailand, das von Kaiser Konstantin im Jahr 313 n. Chr. erlassen wurde und das Christentum als gleichberechtigt zu allen anderen Religionen im römischen Reich erklärte. Des Weiteren herrschte mit dem Edikt Religionsfreiheit im Reich und beschlagnahmtes christliches Eigentum musste zurückgegeben werden.
Auf germanischer Seite hatten sich die Stämme schon seit der Varusschlacht nicht mehr zu einem Stammesverband zusammengeschlossen, doch nun kamen die Franken immer häufiger über den Rhein und lieferten sich Auseinandersetzungen mit den Römern. In den rechtsrheinischen Gebieten lebten die unterschiedlichsten Stämme: Neben den bereits genannten lebten im heutigen Ruhrgebiet insbesondere die Chattuarier an der unteren Lippe, die Usipeter und die Tenkterer jeweils auf beiden Lippeseiten sowie die Marser in der Hellwegzone. Die Bevölkerung im Lippegebiet nahm jedoch Ende des 2. Jahrhunderts ab und verlagerte sich in den Raum zwischen Lippe und Ruhr. Auch für den Großraum Essen gibt es Hinweise auf zunächst dichte Besiedlung, die jedoch auch dort wegen Abwanderungen im 2. Jh. wieder abnahm.
Die germanischen Stämme besaßen zum Teil religiöse und kulturelle Übereinstimmungen, die sie über die Zeit hinweg zusammenwachsen ließ. Anders als die fortschrittlichen Römer lebten die Germanen bzw. die Franken noch in großen Wohnstallhäusern, in denen im Winter das Vieh untergebracht wurde. In Recklinghausen-Hochlarmark, Kamen, Dorsten und Bochum wurden Reste solcher Häuser gefunden. Die Germanen lebten entweder auf einzelnen Höfen oder zusammen in kleinen Weilern. Neben der Landwirtschaft existierten in den kleinen Siedlungen auch Handwerksbetriebe.
Die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Römern und Franken veranlassten die antiken Autoren wieder, über die Vorgänge in der niedergermanischen Provinz zu schreiben. Ein einheitliches Auftreten der fränkischen Stämme war zunächst noch nicht vorhanden. Man weiß sogar von kleineren fränkischen Gruppierungen, die sich den Römern anschlossen und bei der Grenzverteidigung halfen. Auf diesem Weg konnten sie in hohe Ämter aufsteigen und zu großem Reichtum gelangen.
Im 4. Jh. drang ein Teil der Franken Richtung Westen über den Rhein in das Römische Reich vor. Zur Beruhigung der Lage ließ Kaiser Julian die Franken im heute belgisch-niederländischen Raum siedeln, verpflichtete sie jedoch im Gegenzug zum Militärdienst. Jene Franken wurden fortan als „Salfranken“ bezeichneten und waren von den Frankenstämmen am Rhein getrennt. Am Rhein hingegen erreichten die Franken zahlreiche kriegerische Erfolge gegen die Römer, welche die Macht der römischen Truppen am Rhein zusehends schwinden ließen.
Der zunehmende Erfolg der Franken bedrohte nachhaltig den Wohlstand und das Leben der Römer auf der linken Rheinseite. Weil die dortige Situation immer unsicherer wurde und die Bürger zudem durch hohe Steuern belastet waren, kam die Wirtschaft am Rhein schließlich zum Erliegen.
Anfang des 5. Jh. begannen die Römer, die Truppen vom Rhein nach Italien abzuziehen. Die Franken überschritten aufgrund der nun offenen Grenze immer häufiger den Rhein und nahmen ehemals römische Gebiete ein. Bis zum Ende des 5. Jh. besaßen die Franken nicht nur die Vorherrschaft über das germanische Stammland, sondern auch über die linksrheinischen Gebiete bis nach Belgien, den Mittel- und Oberrhein, das Moselgebiet und Gallien. Damit ging die römische Herrschaft am Rhein endgültig zu Ende. Mit Beginn der fränkischen Herrschaft kam wiederum ein neuer Stammesverbund aus dem Norden an den Rhein, der wiederum den Franken in späterer Zeit die Herrschaft erschweren sollte: die Sachsen. Wie die Franken erreichten sie ihre kulturelle und politische Hochphase im Früh- bzw. Hochmittelalter.