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Chronik

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Frühmittelalter (500-900 n. Chr.)

Das Mittelalter wird allgemein als eine Verschmelzung aus Antike, Christentum und Germanentum angesehen. Die Epoche des frühen Mittelalters begann etwa um 500 n. Chr. In der weltlichen Entwicklung des Abendlandes spielten insbesondere die Franken und die Sachsen eine wichtige Rolle. Für die geistliche Entwicklung waren die Lehren der Kirchenväter Augustinus und Hieronymus grundlegend.

Durch Karl den Großen sollte Europa zum ersten Mal einen Kaiser bekommen, der für eine mitteleuropäische Einheit sorgte und die Kirche als Institution schützte. Die christliche Religion war im Mittelalter von enorm großer Bedeutung für das gesamte Leben der Menschen. Hierauf deuten zahlreiche Entwicklungen hin, die in der Region des heutigen Ruhrgebiets stattfanden. Es muss vorweg geschickt werden: Das „Ruhrgebiet“ sollte erst wesentlich später, im 19. Jh., langsam jene Strukturen aufweisen, aus denen sich durch die Phasen der Industrialisierung und des Strukturwandels hindurch jener kulturelle Raum entwickelt hat, der im Jahr 2010 Kulturhauptstadt Europas wurde. Der heutige Ballungsraum war über Jahrhunderte hinweg ein gespaltenes Territorium, das von vielen Völkern und später von Landesherren beansprucht und hart umkämpft wurde. Im Frühmittelalter existierten hier nur wenige Gutshöfe und Klöster, außerdem einige wenige Königshöfe an strategisch wichtigen Orten.

Die Merowinger

Anfang des 5. Jh., noch in der ausgehenden Römerzeit am Rhein, soll u. a. in Asberg (Asciburgium) bei Moers Chlodio, ein Kleinkönig der Salfranken, residiert haben. Sein Nachfolger Merowech gilt als Stammvater und Namensgeber des aufsteigenden fränkischen Königsgeschlechts der „Merowinger“. In großen Teilen West- und Mitteleuropas bestimmten die merowingischen Franken vom 5.-8. Jh. das Geschehen.

Der Merowinger Chlodwig I., mutmaßlicher Enkel von Merowech und wie dieser ein Kleinkönig der Salfranken, besiegte um 486/487 den letzten Statthalter des römischen Restreichs, das im Norden Galliens noch existierte. In der Folgezeit unterwarf Chlodwig die anderen fränkischen Teilkönigreiche und schuf ein gemeinsames fränkischen Großreich.

Chlodwig übernahm einerseits das römische Verwaltungssystem. Andererseits schuf er mit der „Lex salica“ neue gesetzliche Grundlagen für das Reich, die u. a. verschiedene Bevölkerungsgruppen streng hierarchisch voneinander unterschied. Mit seiner Taufe um die Wende vom 5. zum 6. Jh. trat Chlodwig zum Christentum über und sicherte sich die Unterstützung der Kirche, v. a. der Bischöfe. Bereits im Frankenreich waren Bischöfe die geistlich-administrativen Leiter von kirchlichen Verwaltungseinheiten, die bis heute als „Bistum“ bezeichnet werden. Die Franken traten allmählich zum Christentum über, was zur Verringerung der Unterschiede zwischen ihnen und der christlichen gallisch-römischen Bevölkerungsmehrheit beitrug.

Das Kernreich bzw. das spätere östliche Teilreich der Franken hieß bis zum Beginn der karolingischen Dynastie „Austrasien“, es deckte sich teilweise mit dem heutigen Ruhrgebiet. Hier siedelten die zum Großstamm der Franken zählenden Chamaver, Hattuarier und Brukterer. Das z. B. durch Flüsse oder Berge natürlich begrenzte Siedlungsgebiet eines Stammes wird als „Gau“ bezeichnet. Auch der Siedlungsraum der Sachsen reichte in das heutige Ruhrgebiet hinein. Sie kamen aus dem heutigen Nordwestdeutschland und gerieten immer häufiger in kriegerische Auseinandersetzungen mit den Franken.

Ruine der Sigiburg / Hohensyburg / Syburg bei Dortmund, 2011 (Quelle: Dießenbacher Informationsmedien)
Ruine der Sigiburg / Hohensyburg / Syburg bei Dortmund, 2011 (Quelle: Dießenbacher Informationsmedien)

Die Sachsen waren ebenfalls ein loser Stammesverbund, er bestand aus Ostfalen, Westfalen und Engern. Anders als die Franken hatten die Sachsen jener Zeit keinen gemeinsamen König. Stattdessen wurden zur Besprechung politischer Angelegenheiten und zur Rechtsprechung sogenannte „Things“ abgehalten, große Volksversammlungen nach alter germanischer Sitte. Diese Zusammenkünfte mit urdemokratischem Charakter konnten mehrere Tage dauern. Im 7. Jh. begannen die Sachsen, „Herzöge“ als gemeinsame Anführer zu wählen. Die Gründe hierfür sind umstritten. Zum einen geschah dies in Kriegszeiten: Vom Thing gewählt, war der Herzog ein zeitweiliger Heerführer, der „vor dem Heer zog“. Zum anderen soll teilweise bereits eine Abhängigkeit von den Franken bestanden haben: Möglicherweise wollten sie den Sachsen eine hierarchische Struktur auferlegen und hatten sie entsprechend zur Wahl von Herzögen gedrängt.

War das Verhältnis zwischen Franken und Sachsen zuvor noch friedlich gewesen, kämpften sie ab Beginn des 6. Jh. hart um das Land an Rhein und Ruhr, ihre Territorien wechselten ständig. Im 7. Jh. konnten die Sachsen immer weiter in das Frankenreich vordringen. Um 700 hatten sie das Land zwischen Lippe und Ruhr erobert. Zur Sicherung ihrer Eroberungen errichteten die Sachsen beim heutigen Dortmund-Syburg die Sigiburg. Die merowingische Dynastie konnte sich immer weniger durchsetzen und wurde zusehends schwächer.

Die Karolinger

Darstellung Karls des Großen in der Chronik des Ekkehard von Aura um 1112/14 (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)
Darstellung Karls des Großen in der Chronik des Ekkehard von Aura um 1112/14 (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)

„Karolinger“ ist der Name des fränkischen Herrschergeschlechts, das ab Mitte des 8. Jh. die vorherrschende Stellung im Frankenreich übernehmen sollte. Der Name geht auf den späteren Kaiser Karl den Großen zurück.

Noch unter den Merowingern waren die „Hausmeier“ des Frankenreichs politisch bedeutend geworden. Hausmeier waren im frühen Mittelalter zunächst Verwalter des königlichen Hauses, mit zunächst eingeschränkten Befugnissen. In der Zeit der Merowinger war das Amt des Hausmeiers bzw. „major domus“ jedoch immer weiter aufgewertet worden: Als Verwalter aller königlichen Güter wurden die Hausmeier politisch bald mächtiger als der eigentliche König. Bereits ab dem 7. Jh. leiteten sie de facto die Regierungsgeschäfte des Königs.

Königsburg in Duisburg um 883 (Modell) (Quelle: Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg)
Königsburg in Duisburg um 883 (Modell) (Quelle: Kultur- und Stadthistorisches Museum Duisburg)

Eine besondere Rolle spielte der fränkische Hausmeier Karl Martell, der als Großvater Karls des Großen bereits zum Geschlecht der Karolinger gezählt wird. Mit seinem Machtanstieg gingen erste erfolgreiche Schritte der Franken gegen die Sachsen einher. Für die Erweiterung des fränkischen Machtbereichs führte er zahlreiche Feldzüge durch. Während die politisch geschwächten Merowinger bald nur noch sogenannte „Schattenkönige“ stellen konnten, regierte der Hausmeier Martell faktisch das gesamte Frankenreich.

Karl Martell konnte die Sachsen über Essen bis auf die Höhe des heutigen Bochum zurückdrängen. Zur Sicherung und Versorgung der eroberten Gebiete wurden gleichzeitig in Essen eine Burg und in Duisburg ein Königshof angelegt. Während das fränkische Kastell in Essen primär eine Befestigungsanlage war, hatte der Duisburger Königshof eine andere Funktion: Hier flossen die Erträge der umliegenden größeren Ländereien zusammen, um den König und sein Gefolge zu versorgen, wenn sie sich hier oder in der Nähe aufhielten.

Die fränkische Königswürde ging im Jahr 751 schließlich von den Merowingern auf die Karolinger über. Karl Martells Sohn Pippin der Jüngere wird zum ersten karolingischen König der Franken. Bis zum Machtantritt des Sachsen Heinrich I. sollten die Karolinger an der Macht bleiben. Das Amt des Hausmeiers schafften sie aus gutem Grund ab.

Bei dem Machtwechsel spielte statt einer Erbfolge erstmals der Aspekt des Gottesgnadentums eine wichtige Rolle. Der nachlassende politische und strategische Erfolg der Merowinger wurde als Anzeichen nachlassender Gottesgnade angesehen – Gott schien den Merowingern nicht mehr wohlgesonnen zu sein. Die Erfolge der Karolinger galten hingegen als Beleg für das Gegenteil. Auf diese Weise durch Gottes Gnade legitimiert, beanspruchten die Karolinger schließlich die Königswürde für sich.

Schwert eines sächsischen Bauern aus der Zeit der Sachsenkriege im 7. Jh. (Quelle: LWL-Museum für Archäologie / Mark Tewissen)
Schwert eines sächsischen Bauern aus der Zeit der Sachsenkriege im 7. Jh. (Quelle: LWL-Museum für Archäologie / Mark Tewissen)

Auch König Pippin ging gegen die Sachsen vor und schlug u. a. 753 bei Haltern am See einen sächsischen Aufstand nieder. Noch zu Lebzeiten teilte Pippin das fränkische Reich 768 unter seinen Söhnen Karl und Karlmann auf. Nachdem Karlmann 771 verstorben war, nur drei Jahre nach seinem Herrschaftsantritt, fiel das komplette fränkische Reich an Karl, der somit Alleinherrscher wurde und bald „Karl der Große“ genannt wurde.

Unter Karl dem Großen erlebte das fränkische Reich einen erneuten Aufschwung. Von der Vorstellung geleitet, ein Reich in Anlehnung an das ehemalige Römische Reich zu gestalten, setzte er zahlreiche Reformen um, die das Bild des heutigen Europas enorm prägten. Heute wie damals wird er auch als „Vater Europas“ bezeichnet. Die Einführung und die Ausübung des Christentums war Karl dem Großen ein besonderes Anliegen. Hierzu unternahm er im Laufe seiner Herrschaft viele Feldzüge, die das Gebiet des fränkischen Reiches noch erheblich erweitern sollten. Für die heutige Ruhrregion sind dabei besonders die Kriege gegen die Sachsen bedeutsam, die 772 begannen. In diesem Jahr eroberte Karl die Eresburg im Osten des heutigen Nordrhein-Westfalen und zerstörte in der Nähe die Irminsul, ein sächsisches Heiligtum. Drei Jahre später konnte er nach einer Belagerung die Sigiburg zurückerobern. Nach mehreren gescheiterten Rückeroberungsversuchen der Sachsen drängten die Franken sie bis zur Lippe zurück, das Land zwischen Ruhr und Lippe wurde wieder in das fränkische Reich eingegliedert.

Von 772 bis 804 lag Karl der Große insgesamt über 30 Jahre lang immer wieder mit den Sachsen im Krieg, bis er ihre Territorien schließlich dem fränkischen Reich angliedern und den Bewohnern den christlichen Glauben aufzwingen konnte. Die als „Sachsenkriege“ zusammengefassten Auseinandersetzungen wurden von Karls Biografen Einhard als sehr grausam und anstrengend beschrieben. Als besonders problematisch erwies sich, dass die Sachsen aus vielen unterschiedlichen Gruppierungen bestanden: Die Unterwerfung eines sächsischen Stammes bedeutete noch lange nicht, dass andere Stämme dies akzeptierten und sich den entsprechenden Vereinbarungen mit den Franken anschlossen. In der Folge flammten immer wieder neue Kämpfe auf und trugen maßgeblich zur Verlängerung der Sachsenkriege bei.

Der Hellweg, eine bereits seit Jahrhunderten existierende Handels- und Heerstraße, wurde unter Karl dem Großen zur Königsstraße (via regia) ausgebaut. Von Köln kommend, verlief der Hellweg im Bereich des heutigen Ruhrgebiets von Duisburg im Westen über Dortmund im Osten bis in den Teutoburger Wald bei Paderborn. Die Franken nutzen ihn als Versorgungsstraße für ihre Eroberungskriege. Mit dem Ausbau zur Königsstraße gehörte der Hellweg rechtlich dem König und stand unter seinem Schutz. Auf diese Weise sicherte er sich die wichtige Ost-West-Achse nach Paderborn, dem Zentrum des sächsischen Gebiets. In einem Abstand von 15-20 km nur etwa einen Tagesmarsch voneinander entfernt, ließ Karl entlang des Hellwegs zahlreiche Königshöfe gründen und viele Ländereien zum Reichsgut erklären. Somit war eine optimale Versorgung durchziehender Truppen und des Hofes gewährleistet, der an verschiedenen Orten am Hellweg einkehrte.

Der Hellweg zur Zeit Karls des Großen (Quelle: Dießenbacher Informationsmedien)
Der Hellweg zur Zeit Karls des Großen (Quelle: Dießenbacher Informationsmedien)

Bis in das Spätmittelalter hinein war das „Reisekönigtum“ üblich. Der König regierte nicht ständig von einem Ort aus, sondern zog mitsamt seinem Gefolge von bis zu mehreren hundert Personen durch das Reich. Hierbei bewohnte er entsprechend zeitweilig repräsentative Anlagen, sogenannte „Königshöfe“ bzw. größere „Königspfalzen“. Diese Art der Herrschaftsorganisation war einerseits durch die Größe des Reiches bedingt: Zur Kontrolle und direkten Herrschaftsausübung im jeweiligen Gebiet war die Präsenz des Königs vor Ort nötig. Er reiste dabei insbesondere in Regionen, die durch Krisen in Aufruhr geraten waren. Neben dem politischen Aspekt bedingte andererseits die Versorgung des Hofes das Reisekönigtum. War es aufgrund noch unzureichender Transportwege und -mittel nicht möglich, den gesamten Hofstaat ständig an einem einzelnen Ort zu versorgen, so gelang dies an wechselnden Orten.

Besonders bedeutende Königshöfe wurden u. a. Recklinghausen, aufgrund der strategisch guten Lage, und Dortmund als Zentrum der Reichsgutverwaltung. Dortmund war zudem ein Knotenpunkt zweier wichtiger Handelsrouten: Neben dem Hellweg führte eine Nord-Süd-Verbindung von Köln nach Norddeutschland durch den Ort. Durch diese verkehrsgünstige Lage gewann Dortmund schnell an Bedeutung und zog viele Händler wie auch neue Einwohner an. Weitere Königshöfe entstanden u. a. im heutigen Bochum, Westhofen, Brakel und Werl. Vermutlich legte Karl auch im heutigen Dorsten einen Stützpunkt an. Während der Sachsenkriege Karls des Großen war die Gegend zwischen Lippe und Ruhr immer wieder Durchzugsgebiet für die anstehenden Schlachten, die zumeist weiter östlich im sächsischen Kernland stattfanden.

Zur Vereinheitlichung der Reichsverwaltung und Durchsetzung der fränkischen Herrschaft ließ Karl 782 auch die eroberten Gebiete in Sachsen in Grafschaften einteilen, eine bereits seit der Merowingerzeit bekannte Verwaltungseinheit. Die Grafen wurden vom König ernannt, gehörten jedoch oftmals bereits zur lokalen adeligen Führungsschicht. Als Amtsträger waren sie umfassend für die Verwaltung des königlichen Grunds zuständig, waren oberste militärische Befehlshaber und Richter in einer Person. Die Ausführung ihrer Aufgaben wurde vom König über „Königsboten“ kontrolliert.

Ein Wendepunkt der Sachsenkriege war die Unterwerfung des sächsischen Herzogs Widukind, mit dem sich Karl im Laufe seiner Eroberungsversuche besonders viele Auseinandersetzungen geliefert hatte. 785 führte Karl Friedensverhandlungen mit Widukind, der sich schließlich unterwarf und taufen ließ. Die danach abermals entstandenen Aufstände führten zu zahlreichen Deportationsmaßnahmen der Franken: Teile der sächsischen Bevölkerung wurden in fränkische Gebiete zwangsumgesiedelt, umgekehrt wurden Franken in sächsischen Gebieten angesiedelt.

Im Jahr 797 nahmen an der Reichsversammlung in Aachen sowohl Karl als auch Vertreter der einzelnen sächsischen Volksstämme teil. Dabei wurde das sächsische Land in neu geschaffene Bistümer untergliedert, u. a. wurde Paderborn zum Bistum erhoben und dem Erzbistum Mainz zugeordnet. Bis heute ist ein Erzbistum ein von einem Erzbischof geleitetes Bistum, das einer aus mehreren Bistümern bestehenden Kirchenprovinz vorsteht. Mit der Neu- bzw. Umorganisation der Bistümer durch Karl den Großen förderte er eine allgemein als "Reichskirche" bezeichnete enge Anbindung der kirchlichen Strukturen an die weltliche Herrschaft im Reich.

Erst im Jahr 804 gelang Karl mit seiner letzten Schlacht gegen die Sachsen ihre endgültige Unterwerfung. Die sächsischen Gebiete im heutigen Nordwestdeutschland wurden als Herzogtum in das fränkische Reich eingegliedert. In dieser Zeit trat die „Lex Saxonum“ in Kraft, das Gesetz der Sachsen. Es lehnte sich in seinen Grundzügen an das fränkische Recht an, berücksichtigte zugleich aber auch altes sächsisches Stammesrecht. Allerdings wurden alle Hinweise auf heidnisches Brauchtum entfernt, da fortan allein die Ausübung der christlichen Religion erlaubt war.

Die Eingliederung der Sachsen in das fränkische Reich beruhigte die Situation im Gebiet zwischen Lippe und Ruhr. Karl der Große wandte sich verstärkt anderen Aufgaben zu, in der Ruhrregion traten nun einheimische Anführer wieder stärker hervor.

Idealisierte Darstellung Ludwigs I., des Frommen, als „miles Christi“ (Soldat Christi) um 831 in einem Figurengedicht des Rabanus Maurus, einem Exemplar  von dessen Buch De laudibus sanctae crucis von 825/26 nachträglich vorgebunden; Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Codex Vat. Reg. lat. 124, folio 4 verso (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)
Idealisierte Darstellung Ludwigs I., des Frommen, als „miles Christi“ (Soldat Christi) um 831 in einem Figurengedicht des Rabanus Maurus, einem Exemplar von dessen Buch De laudibus sanctae crucis von 825/26 nachträglich vorgebunden; Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Codex Vat. Reg. lat. 124, folio 4 verso (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)

Im Jahr 800 zog Karl nach Rom und ließ sich von Papst Leo III. zum ersten nachrömischen Kaiser Westeuropas krönen. Mit dem von Julius Caesar abgeleiteten Titel stellten sich die mittelalterlichen Kaiser in die Tradition der römischen Herrscher, betrachteten sich als rechtmäßige Nachfolger der römischen Caesaren und wollten, auch aus territorialer Sicht, das römische Reich wieder einrichten. Kaiser wurden vom Papst zum Verteidiger des Abendlandes und des christlichen Glaubens ernannt. Bei den Karolingern wurde das Kaisertum weitervererbt: Karl der Große hatte seinen Sohn Ludwig zum Mitkaiser gekrönt. Nach Karls Tod 814 bestieg sein Sohn Ludwig der Fromme entsprechend als Kaiser den Thron und wurde legitimer Herrscher des fränkischen Großreichs.

Im Hinblick auf die weitere Entwicklung in Europa und dem Gebiet an Rhein und Ruhr war die fränkische Reichsteilung im 9. Jahrhundert bedeutend. Unter den Söhnen Ludwigs des Frommen wurde das fränkische Großreich 843 im Vertrag von Verdun in drei Herrschaftsbereiche aufgeteilt: "Karl der Kahle" wurde König des „Westfrankenreichs“, aus dem später Frankreich hervorging. Über das Ostfrankenreich, dem Vorläufer des späteren "Heiligen Römischen Reiches", sollte "Ludwig der Deutsche" herrschen. Das "Mittelreich", das spätere Lothringen, wurde Lothar I. zugeteilt. Damit schuf Kaiser Ludwig der Fromme die Grundlage für die Entstehung von Frankreich und Deutschland. Aufgrund mehrerer Ereignisse ging das fränkische Mittelreich nach und nach in die beiden anderen fränkischen Teilreiche über.

Der Vertrag von Verdun verwies darauf, dass im West- und Ostfrankenreich unterschiedliche Sprachen gesprochen wurden. Während die Sprachen im Westen auf dem Lateinischen basierten, setzten sich im Osten die germanischen Sprachwurzeln stärker durch. Entsprechend enthielt der Vertrag Passagen, die einerseits in „Romanisch“ bzw. Altfranzösisch („romana lingua“), andererseits in Althochdeutsch („teudisca lingua“) verfasst wurden. Das althochdeutsche Wort „diutisc“, aus dem viel später „deutsch“ wurde, bedeutete ursprünglich soviel wie „volksmäßig“, „zum Volk gehörend“, „die Sprache des Volkes sprechend“ - im Unterschied zu den Sprachen anderer Völker oder dem Latein der Priester. Ab dem 10. Jh. wurde der Begriff allgemein für die Bewohner des Ostfrankenreichs verwendet, das sich territorial in vielen Teilen mit dem heutigen Deutschland deckte. Ludwigs in späterer Zeit entstandener Beiname „der Deutsche“ beruht darauf, dass ihn die Westfranken seiner Zeit auch „rex germanorum“ (König der Germanen) nannten. Von einem „deutschen“ Reich kann man jedoch erst unter der späteren Herrschaft der Ottonen im 10. Jh. sprechen.

Abbildung eines normannischen Langbootes (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)
Abbildung eines normannischen Langbootes (Quelle: Wikipedia, gemeinfrei)

Mitte des 9. Jh. wurde der Niederrhein und das Gebiet um die Ruhr erneut aufgewühlt durch den Einzug der Normannen, die von Skandinavien aus in neue Gebiete abwanderten. Die Normannen galten als besonders grausam und raubgierig, sie brandschatzten sowohl Siedlungen und Städte wie auch Klöster und Kirchen. Im Jahr 863 fielen sie erstmals in Xanten ein und zerstörten die dortige Kirche nach der Plünderung völlig. Die mutmaßlich in der Kirche aufbewahrten Gebeine des Hl. Viktor sollen nach dem Eintreffen der ersten Nachrichten über die Plünderungen am Rhein vorsorglich nach Köln überführt worden sein. Auch den benachbarten Marktort Birten plünderten die Männer aus dem Norden vollständig, bevor sie auf der Bislicher Insel überwinterten. Im Jahr 880 überfielen sie Birten erneut und verwüsteten den Ort. Drei Jahre später erreichten die Normannen mit ihren Langbooten Duisburg. Nachdem sie den dortigen Königshof eingenommen hatten, errichteten sie dort ihr Winterlager.

Der ostfränkische Herzog Heinrich sollte die Normannen aufhalten. Mit dem Ziel der Wiedereinnahme des Duisburger Königshofs plante er seinen Rückeroberungsfeldzug von der Burg Broich aus, die an der engsten Stelle der Ruhr im östlichen Duisburg lag. Mit einer Übermacht an Soldaten gelang es dem Herzog im Frühling 884, die Normannen auf die andere Rheinseite zurück zu drängen und somit Duisburg von der Belagerung zu befreien. Die urkundliche Erwähnung dieses Feldzugs ist der erste urkundliche Hinweis auf den Ort Duisburg.

Schloss Broich, Blick vom Wehrgang auf den Bergfried sowie auf Teile der spätkarolingischen Anlage aus dem späten 9. Jh. (Quelle: Wikipedia, Oliver Koeneke (Benutzer i.c.wiener))
Schloss Broich, Blick vom Wehrgang auf den Bergfried sowie auf Teile der spätkarolingischen Anlage aus dem späten 9. Jh. (Quelle: Wikipedia, Oliver Koeneke (Benutzer i.c.wiener))

Die königliche karolingische Zentralgewalt wies zu Beginn des 10. Jh. bereits große Schwächen auf. Insbesondere im Ostreich, wo sich die sich die Übergriffe von Ungarn und Normannen häuften, verloren die Karolinger an Einfluss. Auf dieser Basis bildeten sich Strukturen, die zur Herrschaftsausübung in der Lage waren und schnell vor Ort eingreifen konnten: Stammesherzogtümer wie Sachsen, Bayern, Thüringen, Lothringen, Schwaben und das ostfränkische Herzogtum Franken. Je schwächer das karolingische Königsgeschlecht wurde, desto bedeutender wurden die obersten Anführer der Stammesherzogtümer, die unter der nachfolgenden Dynastie zu großem Einfluss gelangen sollten. Diese Entwicklungen führten mit Beginn des 10. Jh. zu einer baldigen Ablösung des karolingischen Königshauses im ostfränkischen Königreich.

Kirchliche und geistliche Entwicklung

Neben den zahlreichen politischen und territorialen Veränderungen im Frühmittelalter vollzogen sich viele geistliche Veränderungen. Der christliche Glaube verbreitete sich zunehmend im fränkischen Reich und wurde auch in die neu eroberten sächsischen Gebiete getragen.

Grabstätte des hl. Liudger in der Krypta der Benediktinerabtei Werden a. d. Ruhr (Quelle: Dießenbacher Informationsmedien)
Grabstätte des hl. Liudger in der Krypta der Benediktinerabtei Werden a. d. Ruhr (Quelle: Dießenbacher Informationsmedien)

Im 4. Jh. wurden im Frankenreich erste Klöster gegründet. Sie gingen aus der Mönchsbewegung hervor, die im Osten des römischen Reiches entstanden war. Der Begriff „Mönch“ steht ursprünglich für „Einsiedler“. Um die frühen Einsiedler herum sammelten sich Gruppen von Schülern und bildeten schließlich dauerhafte Lebensgemeinschaften an Orten, die später als „Kloster“ bezeichnet werden. Im Kloster (lat. claustrum = verschlossener / abgeschlossener Ort) fanden sich jene Menschen zusammen, die ihr Leben auf die Verwirklichung religiöser Ideale ausrichteten. Diese mönchische Form des gemeinschaftlichen Lebens wurde mit sogenannten „Ordensregeln“ gefasst und strukturiert. Für das abendländische Mönchtum war das Regelwerk des Römers Benedikt von Nursia von entscheidender Bedeutung. Seine „Benediktsregel“ war Mitte des 6. Jh. entstanden. Mit ihren Hauptsäulen "ora et labora" - „bete und arbeite“ - sollte der Glaube und das Leben in ausgewogener Weise in Einklang gebracht werden. Ab 816 berief Kaiser Ludwig der Fromme in Aachen mehrere Reichssynoden als Versammlungen der kirchlichen Entscheidungsträger ein. Bei diesen Versammlungen wurde die Benediktsregel auf Wunsch des Kaisers und seiner geistlichen Berater für alle Klöster des Frankenreiches verbindlich vorgeschrieben und erhielt so ihre weitreichende Bedeutung und Wirkung für das Abendland. Bis zum Auftreten der Bettelorden im 12./13. Jh. blieb sie die ausschließliche Regel für die Mönche. Die Bettelorden brachten neue Regeln ein, die u. a. deutliche demokratische Elemente enthielten.

Die ersten Versuche, die Bewohner im Bereich des heutigen Ruhrgebiets zu christianisieren, gehen auf den englischen Missionar Suitbert zurück, der im Jahr 690 gemeinsam mit 11 weiteren Gefährten, u. a. mit Willibrord, aus einem englischen Kloster aufgebrochen war. Nachdem beide zunächst in Friesland missionierend tätig waren, reiste Suitbert später in das Gau der fränkischen Brukterer zwischen Lippe und Ruhr. Hier konnte er erfolgreich wirken und nahm erste Kirchengründungen in Mülheim, Dorsten, Dinslaken und Hünxe vor. Diese Kirchen bestanden allerdings nicht lange, da die Sachsen das Gebiet eroberten und Suitbert sich 694 von seiner Missionsarbeit zurückziehen musste. Bis zum Herrschaftsantritt von Karl dem Großen 768 blieben sämtliche Bemühungen vergebens, das Gebiet zwischen Lippe und Ruhr zu christianisieren.

Mit dem Auftreten des westfriesischen Missionars Liudger fasste das Christentum wieder Fuß im Ruhrgebiet. Nachdem seine ersten Versuche zur Klostergründung gescheitert waren, fasste er den Ort Werden an der Ruhr ins Auge. Die dortige Klostergründung plante er von langer Hand und erwarb ab 796 sukzessive zahlreiche Ländereien in der Umgebung. In diesem Zusammenhang wurde z. B. Schermbeck erstmals urkundlich erwähnt: Urkundlich belegt ist, dass Liudger die Höfe „Scirenbeke“ (heute „Schermbeck“) und „Ruscethe“ (heutiger Ortsteil Rüste) an das Kloster Werden überschreiben ließ. Im Jahr 799 erwarb er Land im heutigen Essen-Werden. Dort errichtete er das Benediktinerkloster Werden und wurde sein Gründungsabt. Ein Abt (v. spätlat.: abbas, aus hebr.: abba = Vater) steht dem Konvent, der Gemeinschaft der Mönche, vor und leitet die Abtei, d. h. das Kloster einschließlich seines Besitzes in der Umgebung. Der Abt ist direkt dem Papst unterstellt.

Liudger widmete sich im Kloster Werden hauptsächlich der Missionarsausbildung. Das Kloster wurde noch bis 886 von den Nachfahren Liudgers geleitet, da sich das Kloster im Privatbesitz der Familie befand. Danach wurde es als „Königskloster“ weitergeführt, d. h. fortan unterstand das Kloster direkt dem König und wurde von diesem unterstützt. Der Besitz der Abtei vergrößerte sich in diesen Jahren zunehmend. Im Heberegister bzw. Güterverzeichnis von Werden sind zahlreiche Orte erstmals erwähnt worden, wie z. B. Herne, Dortmund und Wattenscheid. Viele der Höfe lagen zwischen Emscher und Ruhr, besonders viele befanden sich in der Nähe des heutigen Bochum. Das Kloster Werden besaß ebenso Besitztümer am Niederrhein, in sächsischen Gebieten und in Friesland.

Das Heberegister steht im Zusammenhang mit dem später vorherrschenden Lehnswesen des Mittelalters. Das Lehnswesen basiert wesentlich darauf, dass ein Grundherr, der über Besitz verfügte und mit Rechten ausgestattet war, als Lehnsherr einem Lehnsnehmer (Vasall, Gefolgsmann) ein Lehen (z. B. Land) zur Nutzung zur Verfügung stellte, unter der Bedingung eines gegenseitigen Treueeides (Lehnseid). Im Lehnseid verpflichtete sich der Lehnsherr zu „Schutz und Schirm“, d. h. das Lehen samt seinen Bewohnern standen unter seinem Schutz. Vasallen hingegen verpflichteten sich ihrem Lehnsherrn gegenüber zu „Rat und Hilfe“ und mussten für ihn Dienstleistungen unterschiedlichster Art verrichten. Insbesondere zählte auch der Kriegsdienst zu den verpflichtenden Aufgaben der Vasallen bzw. Gefolgsleute: Sobald der Grundherr militärische Unterstützung einforderte, mussten sie sich dem Heer anschließen d. h. „Heeresfolge“ leisten.

Das komplexe System der gegenseitigen Treue und Abhängigkeit zog sich von oben nach unten durch alle Schichten der Gesellschaft. Der König als oberster Lehnsherr konnte Lehen vergeben wie z. B. Land als Grafschaften oder Bistümer. Zudem konnte er Ämter vergeben: Indem er z. B. Grafen oder Bischöfe ernannte, machte er sie zu Grundherren, die über das ihnen zugeteilte Land mit umfangreichen Rechten herrschten, d. h. sie übten dort die Grundherrschaft aus. Die oberste Schicht der Vasallen, direkt unter dem König, nannte man „Kronvasallen“, später im Hochmittelalter auch „Reichsfürsten“. Ihr Rat und ihre Hilfe bestand z. B. aus der Verpflichtung zur regelmäßigen Anwesenheit am Hof, um den König etwa bei der Gesetzgebung zu beraten, außerdem aus verschiedenen Diensten am und für den Hof. Die Kronvasallen waren wiederum Lehnsgeber für „Untervasallen“, die schließlich über die unfreien Bauern verfügten. Diese Bauern erhielten von ihrem Grundherrn Land zur Bearbeitung und standen unter seinem Schutz. Im Gegenzug waren sie als „Leibeigene“ ihm gegenüber zu umfangreichen Arbeitsleistungen und Abgaben verpflichtet, z. B. zu Frondiensten auf Hof und Feld. Als Naturalabgaben mussten sie den sogenannten „Zehnt“ entrichten. Dieser ursprünglich zehnte Teil des Ertrags wurde später beträchtlich größer, so dass mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Erträge abgetreten werden mussten. Im Gegensatz zu freien Bauern, die über eigenen Besitz verfügten, mussten unfreie Bauern keinen Kriegsdienst leisten, waren als Leibeigene jedoch weitestgehend rechtlich und wirtschaftlich in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt.

Durch das Lehns- bzw. Feudalwesen (vom lat. feudum für Lehen) sicherte sich der König die Gefolgschaft und Abhängigkeit der oberen Führungsschichten, die dieses System bis in die unteren Schichten fortführten. Mit einer Pyramide vergleichbar, stand der König an der Spitze, darunter die wenigen Angehörigen der Führungsschichten aus Adel und dem geistlichen Klerus. Je je tiefer der durch Grundbesitz und Rechte begründete Stand war, desto mehr Menschen zählten dazu und verbreiteten den Sockel der bildlichen Pyramide. Das Lehnswesen wird (vom lat. feudum = Lehen) auch als Feudalwesen bezeichnet, die auf diesem System beruhende Herrschaftsform entsprechend als „Feudalismus“.

Das Heberegister dokumentiert im Zusammenhang mit einer Grundherrschaft sowohl die Besitzrechte des Grundherrn als auch die an ihn zu entrichtenden Abgaben und Leistungen der Lehnsnehmer sehr genau, wie umfangreich die Pflichten der Lehnsnehmers waren, so konnten z. B. die Frondienste für die Lehnsherren bis zu vier Tage in der Woche in Anspruch nehmen. Durch außerdem zu entrichtenden Naturalabgaben blieb dem Lehnsnehmer oft nicht mehr viel für den eigenen Bedarf über.

Das Kloster Werden verzeichnete in seinem Heberegister auch den sog. „Wachszins“, Naturalabgaben in Form von Bienenwachs für Kerzen oder Schreibtafeln, die zu entrichten waren, wenn sich Hofbesitzer als Klosterhörige unter den Schutz einers Klosters begaben. Mit Verbreitung des Lehnswesens befanden sich gegen Ende des 10. Jahrhundert bereits 90% des Landes zwischen Lippe und Ruhr unter Kontrolle von Adeligen, Klöstern und Kirchen.

Neben dem Versuch der Christianisierung und der Ausbildung von Missionaren hatte das Kloster Werden einen grundlegenden Einfluss auf die Umgebung: Die Abtei übte eine große Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung der zugehörigen Ortschaften aus. Zu den Aufgaben der Mönche zählten z. B. Waldrodung, Ackerbau und das Anlegen landwirtschaftlicher Nutzflächen.

Dom Essen Westwerk  (Quelle: © Domschatzkammer, Essen)
Dom Essen Westwerk (Quelle: © Domschatzkammer, Essen)

Ebenfalls im 9. Jh. wurden in Herdecke (ca. 819) und in Essen (ca. 852) zwei Damenstifte errichtet, eher weltlich geprägte religiöse Gemeinschaften, die jedoch Damen von adeliger Herkunft vorbehalten waren: Dem Stift durften nur die Töchter des Königshauses und Frauen aus dem Hochadel beitreten. Die Gründung des Damenstifts Essen wird auf Altfried zurückgeführt, den damaligen Bischof von Hildesheim. Ein besonderes Privileg war die freie Wahl der Äbtissin, die direkt vom Papst zugesichert worden war. Durch die Stiftsangehörigkeit vieler hochadeliger Frauen und den damit verbundenen zahlreichen Schenkungen der Adeligen an die Gemeinschaft wurde das Stift zunehmend reicher und mächtiger. Das Stift entwickelte sich in der nachfolgenden Zeit zum „Familienkloster“ der ottonischen Herrschaftsdynastie.

Im Stift herrschte die so genannte „Aachener Regel“ von 816 vor. Die Mitglieder des Stifts verpflichteten sich dem Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams der Äbtissin gegenüber. Insgesamt waren die Regeln in solchen Stiften sehr locker gehalten und mit der strengen Ordnung in Klöstern zu vergleichen für die 816 die Benediktsregel verbindlich festgeschrieben wurde. Die Frauen lebten in eigenen Wohnungen in der näheren Umgebung des Stiftes und verfügten frei über eigenes Einkommen. Unter Einhaltung des Keuschheitsgelübdes, das nicht mit Enthaltsamkeit gleichzusetzen war, durften sie heiraten. Außerdem besaßen das Recht, das Stift jederzeit zu verlassen.

Das Stift Herdecke war Keimzelle der späteren Stadt, die aus der vom Stift für die eigene Weiterentwicklung geschaffenen Infrastruktur hervorging. Mit der Errichtung des Essener Damenstifts wurde die Grundlage für die Entstehung und Gründung der Stadt Essen gelegt. Im Jahr 870 wurde das Essener Münster fertig gestellt, das als Stiftkirche genutzt wurde. Noch heute wird das Münster als Kathedrale des Ruhrbistums Essen genutzt.

Um Klöster, Kirchen und Stifte in jenen weltlichen Angelegenheiten zu vertreten, die sie aus religiösen Gründen nicht selbst wahrnehmen durften, wurden seit Karl dem Großen Vögte eingesetzt. Im Auftrag des jeweiligen Grundherrn war der Vogt Verwalter wie auch Schutzherr der Institution und übte die hohe Gerichtsbarkeit aus, das Richten von Straftaten, die mit schweren körperlichen Strafen oder dem Tod bestraft wurden. Der Vogt war sowohl für den bewaffneten Schutz z. B. des Klosters zuständig als auch für das im Bedarfsfall im Rahmen des Treueeides verpflichtende Aufstellen eines Heeres für den Grundherrn. Der Begriff „Vogtei“ bezeichnet sowohl den Zuständigkeitsbereich des Vogtes als auch sein Amt selbst. Im dichten Geflecht der zahlreichen politischen, gesellschaftlichen und kirchlich-geistlichen Kräften hing die tatsächliche Bedeutung und der Einflussbereich des Vogts stark von den konkreten Gegebenheiten zu der jeweiligen Zeit ab. Die Existenz eines Vogtes bedeutet daher nicht, dass sich die jeweiligen Bischöfe und Äbte ausschließlich ihrem geistlichen Leben widmeten und im weltlichen Bereich passiv blieben, insbesondere dann nicht, wenn sie selbst die Grundbesitzer waren. So betrieben z. B. die Kölner Erzbischöfe insbesondere im Hochmittelalter als bedeutende Grund- und Lehnsherren eine aktive Rolle in der Territorialpolitik jener Zeit.